Das Baugesuch ist auch nach bald fast 20 Jahren immer noch hängig, die Vorgeschichte dementsprechend lang:
März 1994
Die Schutzverordnung für den Greifensee vom 3. März 1994 sieht nördlich der Schifflände Niederuster auf der Surferwiese einen Platz für ein Seerestaurant vor.
Oktober 1996
Eine stadtinterne Studie aus dem Jahr 1996 bestätigt, dass es möglich ist, nördlich der Schifflände in der Erholungszone B bei der Surferwiese zwischen Ufer und Fussweg ein Seerestaurant zu bauen.
Spätsommer 2002
Anlässlich eines Expo-Besuchs unter Freunden reift die Idee, den Pavillon «Bar famille / Nannini», der an der Expo.02 in Murten zum Ensemble von Stararchitekt Jean Nouvel gehört, zu ersteigern und am Greifensee als Restaurant zu betreiben.
November 2002
Die Initiant:innen planen umsichtig und klären mit den städtischen und kantonalen Behörden die Realisierbarkeit ihrer Idee ab. Das Echo ist durchwegs positiv.
18. November 2002
Eine Cabane und der Pavillon der «Bar famille / Nannini» werden ersteigert.
18. November 2002
Dieter Günthard, zu diesem Zeitpunkt Wirtschaftsförderer der Stadt Uster, gratuliert zur Ersteigerung.
22. November 2002
Die Initiant:innen gründen in Uster den Verein Pavillon Nouvel.
16. Dezember 2002
Pavillon und Cabane verlassen Murten mit einem Spezialtransport und einer Polizeieskorte Richtung Uster.
09. Januar 2003
Das Baugesuch wird nach Gesprächen mit den zuständigen Behörden der Stadt Uster und Vertreter:innen der kantonalen Ämter bei der Abteilung Hochbau in Uster eingereicht.
20. Januar 2003
Die Bauprofile werden aufgestellt.
14. März 2003
Ein Komitee um SD-Gemeinderat Werner Kessler hat rund 5000 Unterschriften «gegen die Blechschachtel» und «gegen den Rosthaufen am Greifensee» gesammelt. Darauf führt der Verein in der Turnhalle in Niederuster eine Informationsveranstaltung mit Podiumsgespräch und öffentlicher Diskussion über das geplante Seerestaurant durch. Die Gegner:innen des Projekts müssen zugeben, dass sie bei der Unterschriftensammlung wissentlich falsch informiert haben.
Juli 2003
Die kantonale Baudirektion informiert den Verein, dass eine Änderung der Greifenseeschutzverordnung vorgesehen sei und sie deshalb das Gesuch des Vereins Pavillon Nouvel für ein Seerestaurant nördlich der Schifflände in Niederuster sistieren wolle. Diese Entwicklung kommt für den Verein völlig unerwartet. Das Vorhaben der kantonalen Baudirektion, während eines laufenden Verfahrens die Greifenseeschutzverordnung ändern zu wollen, stellt aus Sicht des Vereins die Rechtssicherheit in Frage. Der Verein beschliesst, alle rechtlichen Möglichkeiten für die Realisierung nördlich der Schifflände auszuschöpfen.
29. Juli 2003
Regierungsrätin Dorothée Fierz, zu diesem Zeitpunkt Vorsteherin der kantonalen Baudirektion, teilt am 29. Juli 2003 schriftlich mit, sie wolle dem Baugesuch am geplanten Standort nicht zustimmen. Sie schlägt einen Alternativstandort an der Stelle des Kiosks südlich der Schifflände vor.
16. September 2003
Die Stadt Uster und der Verein halten am geplanten Standort fest, der mit dem Erlass der Greifenseeschutzverordnung von 1994 festgelegt ist. Der sogenannte Alternativstandort wird als ungeeignet und unrealistisch beurteilt; er liegt im Schutzbereich der Trinkwasserfassung.
27. Oktober 2003
Das Komitee «pro Restaurant LABOÎTE» schickt einen Brief an Dorothée Fierz. Viele Ustermer Politiker:innen, Medienschaffende und Kulturinteressierte unterzeichnen diesen.
16. Dezember 2003
Der baurechtliche Entscheid der kantonalen Baudirektion trifft beim Verein ein. Darin heisst es, ein Seerestaurant nördlich der Schifflände Niederuster sei nun aus verschiedenen Gründen plötzlich doch nicht möglich.
15. Januar 2004
Der Verein Pavillon Nouvel reicht beim Gesamtregierungsrat Rekurs gegen den baurechtlichen Entscheid ein. Die Stadt Uster rekurriert ebenfalls dagegen.
23. August 2005
Der Regierungsrat heisst die Rekurse von Verein und Stadt gut. Er erachtet den Bau des Seerestaurants als zonenkonform und weist die angefochtenen Entscheide zur Überarbeitung an die Bau- und die Volkwirtschaftsdirektion zurück.
20. September 2005
Der Verein Rheinaubund erhebt beim Verwaltungsgericht Zürich Verbandsbeschwerde gegen das Projekt und gegen den Entscheid des Regierungsrates.
7. Februar 2006
Das Verwaltungsgericht urteilt, das Restaurant sei zonenkonform, einzig der Bau der Terrasse erfordere eine zusätzliche Bewilligung.
Juli 2006
Der Verein sucht nach dem Entscheid des Verwaltungsgerichts das Gespräch mit dem Rheinaubund, stösst aber auf keinerlei Kompromissbereitschaft.
Herbst 2006
In Absprache mit der Stadt Uster und den kantonalen Ämtern wird eine Projektanpassung ausgearbeitet, die die umstrittene Terrasse auf die Nord- und Südseite des Gebäudes verlegt.
22. Juni 2007 – 8. Juli 2007
Das Baugesuch ist immer noch hängig. Mit der Aktion «La Boîte qui roule» schafft der Verein viele Sympathien in der Bevölkerung für sein Anliegen.
20. Dezember 2007
Die Baubewilligung trifft beim Verein ein. Stadt und Kanton haben alle nötigen Bewilligungen erteilt – auch diejenigen bezüglich Gewässer- und Waldabstand.
Februar 2008
Der Rheinaubund rekurriert wie erwartet gegen den Entscheid.
Juli 2008
Ein zweiter Versuch: Reden statt rekurrieren – der Verein Pavillon Nouvel sucht das Gespräch mit dem neuen Vorstand des Rheinaubunds. Das Rekursverfahren wird sistiert. Der neue Vorstand zeigt sich offen für eine vernünftige Lösung und verspricht dem Verein ein Feedback bis Mitte Oktober.
12. Dezember 2008
Der Rheinaubund hat ein halbes Jahr gebraucht, um dem Verein seinen Entscheid mitzuteilen. Das Schreiben ist von keinem einzigen der ursprünglichen Gesprächspartner unterzeichnet. Der sich konziliant gebende Vorstand des Rheinaubunds war entmachtet worden. Trotzdem wurde der Verein Pavillon Nouvel über diese ganze Zeit hingehalten – offenbar sollte so die Zeit bis zur eidgenössischen Volksabstimmung zum Verbandsbeschwerderecht von Ende November 2008 überbrückt werden.
Januar 2009
Das Rekursverfahren wird wieder aufgenommen.
Juli 2009
Für kurze Zeit steht am See ein Baugespann. Im Herbst 2009 will die Baurekurskommission endlich einen Entscheid fällen.
21. Oktober 2009
Die Baurekurskommission entscheidet: Die meisten Einwände der Gegner:innen des Seerestaurants werden abgewiesen. Das geplante Seerestaurant ist zonenkonform, standortgebunden und an diesem Ort grundsätzlich möglich. Unklarheit herrscht jedoch bezüglich der Abstände zu Gewässer und Wald. Fazit: Die Baubewilligung ist aufgehoben und das Geschäft liegt wieder bei Stadt und Kanton.
Oktober 2009
Nachdem der Verband zum Schutz des Greifensees (VSG) seit Januar 2008 öffentlich verbreitet hat, ein Bauverbot auf der Surferwiese sei widerrechtlich gelöscht worden, und ein diesbezüglicher Rekurs beim Bezirksrat abgewiesen worden ist, reicht der VSG beim Bezirksgericht Uster eine Grundbuchberichtigungsklage gegen die Stadt Uster und den Kanton Zürich ein. Er will rückgängig machen, dass im Meliorationsverfahren von 1998 folgende Dienstbarkeit gelöscht wurde: «Die […] Eigentümer verzichten […] auf die Errichtung von Bauten. Vorbehalten bleiben Bauten für öffentliche Zwecke.» Ein Seerestaurant ist eine «Baute für öffentliche Zwecke» und wäre auch unter der gelöschten Dienstbarkeit zulässig. Das Bezirksgericht trägt die Dienstbarkeit vorsorglich und provisorisch wieder ein. Der Verein beteiligt sich als «Nebenintervenient» am Verfahren.
April 2010
Das Bezirksgericht stellt fest, dass der VSG ohne einen Beschluss der Mitgliederversammlung nicht auf Berichtigung des Grundbuchs klagen kann, und gibt dem VSG 30 Tage Zeit, dies nachzuholen. Es folgt eine ausserordentliche Mitgliederversammlung des VSG, an der das VSG-Mitglied Stadt Uster überstimmt und die Ermächtigung zur Klage erteilt wird.
Januar 2011
Das Bezirksgericht Uster beschränkt das Verfahren der Grundbuchberichtigungsklage des VSG auf die Frage der Zuständigkeit.
Mai 2011
Das Baugesuch wird neu eingereicht. Wieder werden Bauprofile gestellt.
Juni 2011
Trotz des Baugesuchs fragt die Stadt Uster an, ob der Verein angesichts des provisorisch eingetragenen Bauverbots einen baurechtlichen Entscheid verlange. Da der Verein Pavillon Nouvel, die Stadt und der Kanton der Meinung sind, ein Seerestaurant sei als «Baute für öffentliche Zwecke» vom Bauverbot nicht betroffen, besteht der Verein auf einer raschen Behandlung des Baugesuchs.
Juli 2011
Das Bezirksgericht Uster tritt auf die Grundbuchberichtigungsklage des VSG nicht ein; es sei nicht zuständig. Wie sich herausstellte, hatte der VSG nämlich am Meliorationsverfahren 1998 teilgenommen, damals aber keine Einsprache gegen die Löschung der fraglichen Dienstbarkeit erhoben.
September 2011
Das Baugesuch wird neu eingereicht. Wieder werden Bauprofile gestellt.
Januar 2012
Die Baubewilligung für «La Boîte» wird erteilt. Rheinaubund und neu der Verein Aqua Viva erheben dagegen Rekurs beim Baurekursgericht (bisher Baurekurskommission genannt).
Februar 2012
Wie zuvor schon das Bezirksgericht tritt auch das Obergericht des Kantons Zürich als zweite Instanz nicht auf die Grundbuchberichtigungsklage des VSG ein. Da es um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit gehe, seien die Zivilgerichte nicht zuständig.
Juni/Juli 2012
Das Bundesgericht heisst die Beschwerde des VSG gut und weist die Grundbuchberichtigungsklage zurück ans Bezirksgericht Uster. Obergericht und Bezirksgericht hätten ihre Zuständigkeit nicht ablehnen dürfen, ohne zu prüfen, ob die Löschung der Dienstbarkeit im Meliorationsverfahren von 1998 eventuell nichtig war.
August 2012
Der Rekurs von Rheinaubund und Aqua Viva wird vom Baurekursgericht abgewiesen. «La Boîte» ist standortgebunden und zonenkonform, auch unter den neuen gewässerschutzrechtlichen Regeln des Bundes.
27. März 2013
Das Verwaltungsgericht heisst die Beschwerde des Vereins Aqua Viva – Rheinaubund gut. Weil seit Juni 2011 bundesrechtlich ein «Gewässerraum» ausgeschieden werden müsse, seien die Schutzverordnung und die bisherigen Urteile nicht mehr massgebend. Zudem werde in Uster ein Alternativstandort beim Kiosk inkl. Verlegung einer Busschlaufe diskutiert. Die Standortgebundenheit müsse deshalb neu geprüft werden.
9. Juni 2013
Die Gegnerschaft um SD-Gemeinderat Kessler will aus der Abstimmung über den Kredit zur Verlegung der Busschlaufe ein Plebiszit «gegen den Rosthaufen» machen. Das Stimmvolk von Uster verwirft den Kredit.
November 2013
Der Gemeinderat Uster unterstützt eine Motion für ein «Gesamtkonzept Schifflände» und dessen Verankerung im kommunalen und regionalen Richtplan. In der Folge organisiert die Stadt Uster einen Runden Tisch, lädt dazu aber nur selektiv ein. Am Tisch sitzen vor allem die lautstarken Gegner des Projekts «La Boîte».
20. Dezember 2013
Das Bezirksgericht Uster begründet auf 26 Seiten, weshalb die Löschung des Bauverbots durch die Meliorationsgenossenschaft im Jahr 1998 nicht nichtig war. Der VSG kann die Löschung nicht mit einer Grundbuchberichtigungsklage korrigieren. Das Bezirksgericht ist nicht zuständig.
Juli 2014
Der neue Stadtrat von Uster teilt dem Verein mit, er entziehe dem Projekt «La Boîte» die politische Unterstützung.
19. August 2014
Zur Grundbuchberichtigungsklage des VSG begründet das Obergericht Zürich auf 29 Seiten, weshalb der Beschluss des Bezirksgerichts richtig und die Zivilgerichte nicht zuständig seien.
November 2014
Weder städtische noch kantonale Ämter fühlen sich für die vom Verwaltungsgericht geforderten zusätzlichen Abklärungen verantwortlich. Erst auf Drängen des Vereins Pavillon Nouvel gibt die Stadt Uster schliesslich Mitte 2014 eine Ausschlussplanung in Auftrag. Der Verein erarbeitet auf freiwilliger Basis eine Übersicht über die denkbaren Standorte. Gegen den Standort auf der Surferwiese spricht allein das landschaftsschützerische Interesse an einer unbebauten Wiese. Alle anderen Interessen sprechen für diesen Standort.
Anfang 2015
Die Stadt Uster übermittelt den kantonalen Ämtern ihre Ausschlussplanung und die Übersicht über die denkbaren Standorte des Vereins.
6. März 2015
Ein Entwurf zur Teilrevision des regionalen Richtplans mit einem «Gesamtkonzept Schifflände/Strandbad Uster» liegt für zwei Monate öffentlich auf. Ein Seerestaurant bei der Surferwiese fehlt. Anstelle des bestehenden Kiosks soll eine einstöckige Verpflegungsstätte mit 50 Innen- und 50 Aussenplätzen gebaut werden.
Mai 2015
Der Verein nimmt zum Entwurf der Teilrevision des Richtplans Stellung. Die Teilrevision fasst nur den Status quo zusammen und will damit einen unbefriedigenden Zustand zementieren. Das für intensive Erholung nutzbare Gebiet soll ohne Not verkleinert werden. Die Chance für eine Verbesserung und für eine sinnvolle Entflechtung der Nutzungen wird nicht gepackt.
20. Mai 2015
Auf Drängen des Vereins treffen sich Vertreter von Verein, Stadt und kantonalen Ämtern zur «Elefantenrunde». Die kantonalen Ämter spielen in der Folge auf Zeit und verlangen weitere Unterlagen und Informationen.
26. Mai 2015
Das Bundesgericht weist die Berufung des VSG ab. Die längst obsolete, vom Bezirksgericht aber provisorisch wieder eingetragene Bauverbots-Dienstbarkeit wird nach gut fünf Jahren gelöscht.
Juni 2015
Die Teilrevision des regionalen Richtplans wird mit Ausnahme des «Gesamtkonzepts Schifflände/Strandbad Uster» verabschiedet.
9. November 2015
Der Kanton will keinen Entscheid für den Standort Surferwiese fällen, solange die Richtplanänderung ein Seerestaurant am Standort Kiosk vorsieht. Regierungsrat Markus Kägi empfiehlt dem Verein, die Richtplanänderung politisch zu bekämpfen.
Frühjahr 2016
Politisch scheint nur noch der Status quo mehrheitsfähig. Die Stadt Uster geht nicht auf die Einwendungen gegen die Richtplanänderung ein, die der Verein und andere an einer Verbesserung der Situation bei der Schifflände Uster interessierte Kreise vorbringen.
Mai/Dezember 2016
Der Gemeinderat Uster genehmigt im Mai die Richtplanänderung für das Gebiet Schifflände/Strandbad, die kantonale Baudirektion genehmigt sie im Dezember 2016.
Oktober 2016
Die Stadt Uster schreibt einen Wettbewerb für ein Seerestaurant mit 50 Innen- und 50 Aussenplätzen am Standort Kiosk aus.
Januar 2017
Der Verein reicht einen symbolischen Rekurs gegen die Genehmigung der Teilrevision des Richtplans durch die Baudirektion ein. Ein raumplanerisches Instrument wird dazu missbraucht, eine Standortfestlegung ohne seriöse Interessenabwägung vorzunehmen, die eigentlich im Baubewilligungsverfahren erfolgen müsste. Das Baurekursgericht tritt darauf nicht ein.
November 2017
Die Jury präsentiert das Siegerprojekt des Wettbewerbs für ein Seerestaurant am Standort Kiosk: Fiechter & Salzmann Architekten schlagen sechs Holzmodule mit mit Schindeln belegten Zeltdächern vor.
Dezember 2021
Die Stadt Uster und die kantonalen Stellen bewilligen das von der Stadt eingereichte Projekt für den Standort Kiosk. Wer das Projekt realisieren wird, bleibt offen.
Zahlreiche Nutzungsprojekte für «La Boîte»
Bis heute erhält der Verein Pavillon Nouvel immer wieder Anfragen zur Nutzung oder Zwischennutzung der Gebäudehülle von «La Boîte» in der Region Zürich. So hat beispielsweise Markus Gut, Beirat der Hochschule der Künste ZHdK, zusammen mit Prof. Hansuli Matter die Idee verfolgt, «La Boîte» als Art Shelter zu nutzen. Die Bewohner:innen des Bundesasylzentrums neben dem ZHdK-Campus hätten ihr Fachwissen im Kunstbereich an die Studierenden weitergegeben. Und umgekehrt.
Eine weitere Idee entstand in der Zusammenarbeit mit Malik El Bay und Flurin Hess vom Dezentrum/Trust Square. «La Boîte» sollte als erstes sich mit Blockchain-basierten Smart Contracts selbst verwaltendes Gebäude genutzt werden. «La Boîte» wurde damit zum Studienobjekt No1s1. Das Projekt erforscht die Dezentralen Autonomen Organisationen (DAOs).
«La Boîte» lebt weiter!